Predigt beim Seegottesdienst am Aartalsee, 17.6.2007
Einleitung
„Familie – entdecke die Möglichkeiten“, das ist das Thema des Seegottesdienstes heute. Hintergrund ist die Aktion „FamilienLeben“, die wir in diesem Jahr in den Evangelischen Dekanaten Herborn, Dillenburg, Biedenkopf und Gladenbach durchführen.
„FamilienLeben“, das Wort ist zusammen geschrieben, aber mit einem großen „L“ in der Mitte. So sind zwei Aspekte betont: „Familienleben“ und „Familien leben“. Familienleben haben wir alle und Familien leben – wie auch immer die Familien aussehen.
„Familie haben alle“, so ist ein Slogan der Aktion „FamilienLeben“. Familie haben alle, auch die, die alleine leben, die geschieden sind, die alt oder jung sind, die getrennt leben oder die zerstritten sind. Egal wie die Familien aussehen: Allein dadurch, das einer geboren wurde, gehört er zu einer Familie. Nach der Hochzeit gehört man gleich zu zwei Familien und gründet eine dritte.
„Familie – Entdecke die Möglichkeiten“, so das Thema. Familien bieten viele Möglichkeiten, sie sind ein Erfahrungsraum. Zur Familie gehören Liebe und Zärtlichkeit, Vertrauen und Geborgenheit, Fürsorge und Ausbildung der Persönlichkeit, Angenommensein und Zuhören, Versöhnung und Zuwendung, Sicherheit und Zuhause.
In einer Familie kann man gut leben und gut glücklich sein. Hier begegnen sich jung und alt. Hier erlernen und erfahren Menschen Glauben. Um ein Kind zu erziehen braucht es eine Familie – ein afrikanisches Sprichwort sagt sogar: ein ganzes Dorf.
Aber das ist natürlich nur die eine Seite. Familien bieten viele Möglichkeiten, auch viele Möglichkeiten des Versagens: Es kann sehr schwierig sein in Familien. Man kann einander zur Last werden. Man erlebt die Grenzen. Man streitet. Man trennt sich.
Jakob und Esau (1)
Eine der großen Familiengeschichten aus dem Alten Testament soll heute im Mittelpunkt stehen, die Geschichte von Jakob und Esau. Eine echte Familiengeschichte: Da ist der Papa Isaak, da ist die Mama Rebekka und da sind die Zwillinge, die gemeinsam aufwachsen: Jakob und Esau.
Eine Familie damals, das war eine Sippe mit einem mächtigen Familienvater. Zur Familie gehörten die Frauen und die Nebenfrauen, die Knechte und Mägde, die Sklaven und Sklavinnen, die Zelte und die Tiere. Nomaden waren das oder Halbnomaden, die von saftigem Weideland zum nächsten saftigem Weideland zogen. Kleinviehhirten.
Die beiden Brüder Jakob und Esau, die waren sehr unterschiedlich: Esau, der ältere, war rötlich und rau und hatte eine Haut wie ein Fell. Er ging zur Jagd. Jakob, der jüngere, war eher zurückhaltend und war gerne bei der Mama.
Wenn wir diese Geschichte als Familiengeschichte anschauen, dann geht es nicht nur um die Brüder Jakob und Esau, es geht auch um die Eltern, Isaak und Rebekka. Isaak hatte den Esau lieber, Rebekka liebte den Jakob mehr.
So geht es in dieser Geschichte um Liebe, aber auch darum, wer der erste ist. Esau gibt seine Rechte als Erstgeborener wegen einer Linsensuppe auf.
So geht es in dieser Geschichte um Liebe, darum, wer der erste ist – und es geht um das Erbe. Wer soll das Erbe kommen? Die Mama Rebekka wollte es ihrem Liebling Jakob geben, der Papa Isaak wollte es seinem Liebling Esau geben, dem älteren, so war es Sitte.
So geht es in dieser Familie um Liebe, um Macht, um das Erbe und um den Segen. Der Papa Isaak will Esau den Segen geben, vorher soll er ihm noch einmal ein Tier jagen und einen Braten herrichten. Aber die Mama Rebekka trickst ihren Mann aus und schlachtet und brät das Fleisch und bindet Jakob das Fell um den Arm, damit der Arm sich so anfühlt wie der raue Arm von Esau. Der alte Isaak merkt es nicht und so bekommt der Liebling der Frau, der am zweiten Geborene, den Segen. Esau kommt zurück, merkt, dass er betrogen wurde. Der Vater tobt. Jakob flieht. Von nun ab sind die Brüder Feinde.
Heute (1)
Familie – entdecke die Möglichkeiten. Hier ist nur Streit in der Familie. Das kommt uns doch heute alles sehr bekannt vor.
Rivalität, Geld, Liebe, Erbe, der erste sein wollen, so ist es in vielen Familien. Ehepartner streiten gegeneinander, Kinder streiten gegen die Eltern, Eltern streiten gegen die Kinder und ein Kind gegen das andere.
Kein Wunder, dass es Streit gibt. Jeder und jede hat seine und ihre Interessen. Alle haben immer gleich mehrere Rollen auf einmal in einer Familie als Kind und Ehepartner, als Bruder und Schwester, als Sohn und Tochter, als Schwiegersohn und Schwiegertochter, als Schwiegereltern, als Nichte und Neffe, als Onkel und Tante, als Großvater und Großmutter.
Alle müssen ihre Rollen einnehmen, und die Rollen wechseln. War man jahrzehntelang abhängiges Kind, pflegt man vielleicht als selber alte Person seine noch viel älteren Eltern. War man jahrzehntelang Eltern, nimmt man plötzlich wieder die Elternrolle an, weil man die Enkel großzieht.
Kein Wunder, dass Eltern und Kinder überfordert sind. Kein Wunder, dass manchmal das Vertrauen weg ist. Kein Wunder, dass man sich manchmal trotz Familie einsam fühlt.
Das ist Familienleben. Familien leben, auch wenn das Leben in den Familien belastet und bis zum zerreißen gespannt ist. So war es auch bei Jakob und Esau.
Jakob und Esau (2)
Jakob flieht zur Familie seiner Mutter und wird dort aufgenommen. Dort in seiner neuen Familie wird er selbst betrogen. Er dient um zwei Frauen und bleibt 20 Jahre lang, er sehnte sich jedoch nach Hause. Ob Esau noch böse ist? Seine Familie wird er nicht los. Jakob hat Angst vor einer Rückkehr, aber die Sehnsucht ist größer. Und dann spricht Gott zu ihm und sagte: Jakob, geh nach Hause. Jakob bekommt Mut, er nimmt sehne Frauen und seine Kinder und zieht los. Nach langer Zeit kommt er in sein Heimatland und schickt Boten voraus zu seinem Bruder. Die Boten melden: Esau kommt – mit 400 Mann. Jakob bekommt Angst, er betet. Er will seinen Bruder besänftigen und schickt ihm seine schönsten und besten Tiere als Geschenk entgegen. Ziegen, Schafe, Böcke, Widder, Kamele, Kühe, Esel, eine riesige Herde. Dann hat Jakob sogar noch eine Begegnung mit dem Engel Gottes. Da rückt auch schon Esau mit seinen Männern an, was wird er tun? Schnell läuft Jakob ihm entgegen und verneigt sich vor ihm siebenmal bis zur Erde. Aber Esau läuft zu ihm – und fällt ihm um den Hals. Und beide weinen vor Freude. Und beide haben sich versöhnt, nach 20 Jahren. Gott hat sie miteinander versöhnt.
Heute (2)
Jakob und Esau – eine der ganz großen Familiengeschichten der Bibel. Erst der Streit, dann die Versöhnung. Erst die Angst vor dem anderen, dann liegen sie sich in den Armen. Als Familie leben, das sind viele verwinkelte und verwickelte Wege.
Familien – Entdecke die Möglichkeit des Neuanfangs. Familie – Entdecke die Möglichkeit des Gesprächs. Familie – Entdecke die Möglichkeit der Versöhnung immer wieder.
„FamilienLeben“, diese Aktion der Kirche will dazu ermuntern, an der Familienbeziehung zu arbeiten und sie zu pflegen. Familie ist ein großer Wert. Familien muss man fördern. In einer Familie zu leben ist manchmal Arbeit und Mühe. In einer Familie zu leben bedeutet, immer wieder aufeinander zuzugehen.
Das gilt für Eltern und Kinder, für Geschwister, für Alte und Junge, für die Generationen miteinander.
In einer Familie leben bedeutet, miteinander zu reden, auch bei den klassischen Problemfeldern: Pubertät, Älter werden, Selbständig werden, aus dem Haus gehen, Liebe, Enttäuschung. Dies ist nicht immer leicht, aber Hilfe ist da. Unsere Kirchen bieten Eheberatung, Lebensberatung, Erziehungsberatung und Familienberatung an, um Familien, Eltern, Kinder und Ehen zu unterstützen und beraten.
Gottes Familie
Familienleben, das gilt aber auch noch für eine andere Familie: Wir gehören auch zu Gottes Familie. Gott, der Vater, ist zu uns wie ein guter Vater und eine gute Mutter. Jesus ist unser Bruder. Die, die an Gott glauben sind dadurch unsere Geschwister. Wir sind Brüder und Schwestern. Wir gehören zu Gottes guter Familie. Gott beschenkt uns mit dieser Familie.
Familie – Entdecke die Möglichkeiten der Kirchengemeinde. Familie – Entdecke die Möglichkeiten mit den Schwestern und Brüdern.
Und Jesus hat uns gezeigt, wie wir miteinander umgehen sollen, als Mitglied von Gottes Familie und als Mitglied von unserer Familie. Liebt einander. Liebt Gott und den Mitmenschen. Bruderliebe. Feindesliebe. Nächstenliebe. Versöhnung.
So soll das Familienleben gestaltet sein. Und Gott unser himmlischer Vater schenkt und Vertrauen, und Kraft und Mut für das Leben und die Familie. Und wir sind nicht alleine, da ist Gott unser Vater, Jesus unser Bruder und der Geist Gottes, der uns tröstet und ermutigt auf unserem Weg.
Entdecke die Möglichkeiten. Entdecke die Möglichkeiten des Vertrauens. Entdecke die Möglichkeiten des Glaubens. Entdecke die Möglichkeiten der Vergebung.