StartseitePublikationen GeschichteGedanken als InputKirchenbauKindergartengeschichtePakete als FriedensbrückeGutes BenehmenFotokunstKontakt-Einmachglas

Publikationen Geschichte:

8. Mai - 60 Jahre Kriegsende

Restaurierung der Pfarrscheune

Kleine Jubiläen 2005

Kleine Jubiläen 2006

Kleine Jubiläen 2007

Kleine Jubiläen 2008

Kleine Jubiläen 2009

Die drei Rossbacher Kirchen

Unser Marienaltar nach der Restaurierung

Die Vorgeschichte des Paul Schneider Freizeitheims

Nachruf für Margarete Schneider

Mission und Missionsfeste in Niederweidbach

Hagelschlagstag 2006

60 Jahre Kirchenchor

Der Seegottesdienst am Aartalsee

Nachruf für Edmund Dittmann

Johannes Calvin

Martin Bucer

475 Jahre Kirchengemeinde Niederweidbach

Neues zur Marienkirche

100 Jahre Ev. Gemeindehaus I

100 Jahre Ev. Gemeindehaus II

Roßbach

Wilsbach

Abendmahlsfrömmigkeit

Allgemein:

Startseite


Abgedruckt in: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 43, August bis Oktober 2005, 5-11.


Lass ab vom Bösen und tu Gutes; suche den Frieden und jage ihm nach. (Psalm 34,15). Und der Gerechtigkeit Frucht wird der Friede sein (Jesaja 32,17)

Vor 60 Jahren, am 8. Mai 1945, war der 2. Weltkrieg zu Ende. Der 8. Mai ist ein Datum von historischer Bedeutung, in Deutschland, in Europa und in der Welt.
Im Mai 1945 waren Menschen gefangen und im Lager inhaftiert, ausgebombt, vertrieben, auf der Flucht, erschöpft, verzweifelt und befreit. Menschen kämpften um das Überleben. Weite Landstriche waren verwüstet. Der Kampf hörte auf, und er ging doch noch weiter. Auch nach dem 8. Mai starben Menschen durch den Krieg.

Die Alliierten kamen. Das Ende des Endkampfes war da. Dann schwiegen die Waffen. Niederlage und Kapitulation. Die Konzentrationslager wurden befreit. Hunderte der nationalsozialistischen Funktionäre begingen Selbstmord. Und dann musste es weitergehen.

Krieg, Kriegsende und Nachkriegszeit in der Kirche in Deutschland (1939-1946)

Der 8. Mai 1945 gehört mit dem 30. Januar 1933 zusammen. Die nationalsozialistische Diktatur in den Jahren 1933 bis 1945 teilte sich in zwei Hälften.
Zwölf Jahre dauerte die nationalsozialistische Diktatur. Es waren sechs Jahre Diktatur ohne Krieg und sechs Jahre Diktatur mit Krieg.

Wie sah das Leben in der Kirche und in der Kirchengemeinde in Deutschland im Allgemeinen während des Krieges und nach dem Krieg aus?
•Das Leben in der Kirche hatte sich sofort mit dem Beginn der nationalsozialistischen Diktatur verändert. Die Nationalsozialisten und die von ihr bestimmten Deutschen Christen (DC) kämpften für eine Reichskirche und stellten sich gegen Schrift und Bekenntnis. Der Kirchenkampf begann Ende 1933, die Bekennende Kirche (BK) entstand. Während des Krieges ging der Kampf der Bekennenden Kirche und der Diakonie gegen die eingrenzenden und gleichschaltenden Maßnahmen des Staates weiter. Diakonissen wurden entlassen und durch Rotkreuz-Schwestern oder durch Personal der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) ersetzt. Kritische Pfarrer wurden weiterhin diszipliniert, entlassen, verhaftet, verhört. Im Konzentrationslager Dachau gab es einen Pfarrerblock, in dem nur Pfarrer inhaftiert waren.
•Als der Krieg am 1. September 1939 begann, mussten viele Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter zur Wehrmacht. Die Gemeinden blieben ohne Pfarrer zurück, häufig übernahmen Frauen den Dienst der Männer.
•Nach Kriegsbeginn wurden von vielen Kirchengemeinden Räume und Gemeindehäuser konfisziert. Es hieß, sie seien für militärische Belange nötig. Das schränkte in vielen Kirchengemeinden das Gemeindeleben mit den Gruppen und kirchlichen Vereinen erheblich ein. Bibelstunden mussten dann etwa in Kirchen verlegt werden.
•In vielen Kirchengemeinden wurden schon vor Kriegsbeginn Militärgottesdienste gefeiert. Nach Kriegsbeginn fanden in vielen Gemeinden Kriegsbetstunden oder Kriegsandachten statt.
•Gleich nach Kriegsbeginn wurde vielen Kirchengemeinden verboten, die Glocken zu läuten. Das Läuten behinderte angeblich die Horchgeräte der Luftabwehr.
•Private Kraftwagen wurden stillgelegt, auch das behinderte die Arbeit der Kirche.
•Die eintreffenden Mitteilungen von verwundeten oder gefallenen Männern, Brüdern, Ehemännern und Freunden versetzte viele in großen Schmerz.
•Die Deportationen der Juden begannen 1939. Einzelne in der Kirche verurteilten die Judenverfolgung. Einzelne, sehr wenige, in der Kirche setzten sich für Juden und getaufte Juden ein, die deportiert werden sollten.
•Die Ermordung der Behinderten begann 1939 durch das sogenannte Euthanasieprogramm Hitlers. Wenige kirchliche Stellen, insbesondere in der Diakonie, protestierten dagegen.
•Den Heimatpfarrern wurde 1940 verboten, den Soldaten an der Front zu schreiben und Schriften zu schicken, wohl aus der Angst, dass kritische Post aus der Heimat an die Front kommt.
•1941 wurde die Krankenhausseelsorge durch die Nationalsozialisten eingeschränkt bzw. verboten.
•Kirchliche Publikationen und Schriften wurden vermehrt nach Kriegsbeginn verboten, angeblich aus Papiermangel, aber auch, um die Kirche einzuschränken und ihr Mitteilungsmöglichkeiten zu nehmen.
•Da der Krieg zunächst vornehmlich auf nichtdeutschem Boden stattfand, war die deutsche Bevölkerung zunächst nur durch Bombardierungen bedroht, sie wurden ab 1942 stärker. Fünf Jahre lang fand er in den angegriffenen Ländern statt. Als Kriegswende gilt vielen die Kapitulation bei Stalingrad am 31. Januar 1943. Militärhistoriker sehen heute die zum Stillstand gekommene Offensive gegen Moskau im Februar 1942 als Wende des Krieges. Im Februar 1943 schrie die Masse „Ja“ auf die Frage: „Wollt ihr den totalen Krieg?“ Erst im Oktober 1944 erreichten die alliierten Truppen deutsches Staatsgebiet.
•Zum Schluss des Krieges kam das gottesdienstliche Leben wegen der vielen Fliegerangriffe fast ganz zum Erliegen. Die Gottesdienstgemeinde schrumpfte stark. In vielen Gottesdiensten wurde weitgehend auf die Liturgie verzichtet. Die Pfarrer hielten vom Altar her eine kurze Ansprache, die oft vom Sirenengeheul unterbrochen wurde.

Das Kriegsende in Deutschland in der Kirche

•Der Untergang des Nationalsozialismus erschien vielen wie ein Gottesgericht.
•Die nationalsozialistische Reichskirche war zusammengebrochen, die Landeskirchen hatten sich behauptet.
•Das kirchliche Leben in Deutschland musste neu geordnet werden.
•Die Entnazifizierung begann, auch die Denunziationen.
•Die Flüchtlingsströme kamen.
•Die Siegermächte sprachen Berufsverbote aus und demontierten Fabrikanlagen.
•Die Fremdarbeiter (Zwangsarbeiter), die seit 1939 nach Deutschland kamen, wurden zu Displaced Persons.
•Es setzte eine Diskussion um die Kollektivschuld der Deutschen ein. Die Kirche sprach davon, dass Sieger und Verlierer schuldig seien. Die Kirche bekannte sich schuldig im Stuttgarter Schuldbekenntnis und im Darmstädter Wort. In Stuttgart hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland im Oktober 1945 bekannt: „Durch uns ist unendliches Leid über viele Länder und Völker gebracht worden.“ Dieses Bekenntnis war nötig und hat den Weg frei gemacht zu neuen ökumenischen Kontakten und Hilfe aus der Ökumene. In der Kirche unterblieb jedoch häufig das Nachdenken über die eigene Schuldverstrickung. Entnazifiziert wurde auch in der Kirche.
•Es herrschte ein Mangel an Wohnungen, ein Mangel an Gebrauchsgütern und Lebensmitteln.
•Eine rege Bautätigkeit begann.

Krieg, Kriegsende und Nachkriegszeit in der Kirchengemeinde Niederweidbach (1939-1948)

Und wie sah das Leben in der Kirchengemeinde Niederweidbach während des Krieges und nach dem Krieg aus?
•Pfarrer Kurt Ludolf kam 1933 nach Niederweidbach, er gehörte der Bekennenden Kirche an, die auf der Burg Hohensolms ein Zentrum hatte.
•Ludolf wurde nach Kriegsbeginn eingezogen und er war ab 1944 in Rumänien vermisst.
•Die Kirchengemeinde wurde von Julius Waldemar Korthäuer in Altenkirchen mitversorgt, der 1936 nach Altenkirchen kam. Er hatte die amtliche Vertretung für Niederweidbach.
•1939 wurde bei der Reichspogromnacht die Synagoge und der Judenfriedhof zerstört. Der Name des gefallenen Niederweidbacher Soldaten aus dem 1. Weltkrieg wurde aus dem Kriegerdenkmal ausgemeißelt.
•1941 gab das Diakonissenmutterhaus Paulinenstift Wiesbaden die Gemeindepflegestation in Niederweidbach auf, vermutlich im Zusammenhang mit der verstärkten Bemühung der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV), die gesamte Wohlfahrt in Deutschland zu übernehmen.
•1942 wurden die letzten Juden aus Niederweidbach abtransportiert.
•1945 war die Konfirmation am 18. März mit Korthäuer von Altenkirchen, am späten Nachmittag, da die Kampfbomber häufig flogen und Angst herrschte. Der Konfirmationsgottesdienst hat wohl nur eine halbe Stunde gedauert. Als der Gottesdienst fertig war gingen alle in der Dunkelheit heim.
•Zehn Tage später, am 28. März 1945, rückten die Amerikaner ein.

Die Nachkriegszeit in der Kirchengemeinde Niederweidbach:

•Pfarrer Korthäuer aus Altenkirchen wurde ab dem 16. August 1945 von Karl Kastner unterstützt, der Pfarrvikar in Bischoffen wurde. Der Pfarrer von Bischoffen, Repp, lag im Lazarett in Mannheim. In Bischoffen arbeitete Pfarrer Öhlert, der aus Frankfurt evakuiert war. Er hatte auch gelegentlich Niederweidbach und Oberweidbach versorgt. Kastner übernahm dann den Dienst in Bischoffen und Oberweidbach. Er unterrichtete auch Religionsunterricht in Oberweidbach. Ab dem 1. Dezember 1945 übernahm er zusätzlich Niederweidbach und Rossbach.
•1945 hatten die Konfirmanden aus Bischoffen und Niederweidbach gemeinsam Konfirmandenunterricht, 1946 wurde wieder in den einzelnen Dörfern unterrichtet.
•Weihnachten 1945 fand in Oberweidbach eine Feier des Kindergottesdienstes statt.
•1946 kamen mehrere Hundert Vertriebene nach Niederweidbach, die überwiegende Zahl der Vertriebenen war katholisch. Die evangelische Marienkirche wurde für katholische Gottesdienste ausgeliehen. Durch die Vertriebenen änderte sich die konfessionelle Zusammensetzung der Dorfbevölkerung.
•Im Juni 1946 war ein großer Volksmissionssonntag in Niederweidbach mit Pfarrer Schlenker aus Marburg. Das Thema war: Zurück zu Gott.
•Außerdem war im Juni 1946 ein Jugendsonntag in Niederweidbach mit Missionar Schneider aus Erndtebrück. Thema: In dir ist Freude.
•Im September 1946 gab es dann das Missionsfest in Niederweidbach. Festprediger war Missionar Haibach aus Herborn. Die Kirche war am Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt, 600 Personen wurden gezählt. Auch Pfarrer Jacobi aus Eisemroth sprach. Der Bischoffener Chor sang.
•In Rossbach fand im August 1946 ein Volksmissionstag mit 400 Teilnehmern statt. Karl Kastner begrüßte zu Beginn, Pfarrer Steingräber aus Herborn sprach. Die Kollekte von 550 RM wurde dem Herborner Verband gegeben.
•1947 hatte die Landeskirche alle Pfarrer, die als vermisst galten, ihrer Ämter enthoben. So konnte auch die Pfarrstelle in Niederweidbach neu besetzt werden. 1948 kam dann Pfarrer Ernst Sames.

Der 8. Mai

Am 8. Mai vor 60 Jahren kapitulierte die Deutsche Wehrmacht bedingungslos vor den alliierten Streitkräften.

•Der 8. Mai war ein Tag des Sieges für die Alliierten.
•Der 8. Mai war ein Tag des Endes, des Untergangs, der Niederlage für die Nationalsozialisten.
•Der 8. Mai war ein Tag der Ungewissheit. Wie sollte es weitergehen? Das Schicksal lag in der Hand der Feinde.
•Der 8. Mai war ein Tag der Ernüchterung. Die meisten Deutschen hatten geglaubt, für die gute Sache des eigenen Landes zu kämpfen und zu leiden. Nun zeigte sich: Dies alles war nicht nur vergeblich und sinnlos, sondern es hatte den unmenschlichen Zielen einer verbrecherischen Führung gedient.
•Der 8. Mai war ein Tag der Erleichterung. Viele waren dankbar, dass die Bombennächte und die Angst vorüber waren und sie mit dem Leben davon gekommen waren.
•Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Dies ist das wichtigste Stichwort bei der Beurteilung des 8. Mai. Ein Tag der Befreiung von der unmittelbaren Todesdrohung, von Zerstörung, von Unrecht, von Verfolgung und der Vernichtung der Jüdinnen und Juden in Europa, von der Schreckensherrschaft und der Diktatur, von einem verbrecherischen und verführerischen Regime, von den Schrecken des Krieges. Befreit wurden KZ-Häftlinge, politisch Gefangene, aus rassischen, religiösen und politischen Gründen Verfolgte, Widerstandskämpfer.
•Der 8. Mai war ein Tag des Neuanfangs und der Chance. Neu anfangen mit Schuld bekennen, Hände reichen, Versöhnung, Verständigung und Frieden, neue Möglichkeiten des menschlichen Miteinanders zu praktizieren. Versöhnung zwischen den Kirchen und den Völkern.

Heute ist der 8. Mai für Christinnen und Christen ein Tag der Verpflichtung.

•Wir wollen einen kräftigen Glauben bezeugen, um den Ideologien entgegenzutreten. Wir wollen für den Frieden beten und arbeiten, der sich auf die Gerechtigkeit und die Achtung der Menschenwürde gründet.
•Wir wollen uns erinnern an das, was geschah. Da, wo wir heute häufig Urlaub machen, haben wir, unsere Väter und Großväter gekämpft.
•Wir wollen um Vergebung bitten und Vergebung der Schuld zusagen. Jesus Christus vergibt uns unsere Schuld.
•Wir wollen zum Frieden mahnen, im Namen von Jesus Christus. Jesus schenkt uns Frieden und ruft uns zum Frieden auf.
•Wir wollen zur Versöhnung aufrufen, im Namen von Jesus Christus. Jesus versöhnt uns mit Gott, wir sollen uns versöhnen.
•Wir wollen Dankgebete sprechen, dass der Schrecken und der Faschismus zu Ende gingen und wir 60 Jahre Frieden haben in unserem Land.

Frieden entsteht durch Erinnerung und Versöhnung. Gottes Wort sagt uns: Lass ab vom Bösen und tu Gutes; suche den Frieden und jage ihm nach. (Psalm 34,15). Und der Gerechtigkeit Frucht wird der Friede sein (Jesaja 32,17).

Frank Rudolph