StartseitePublikationen GeschichteGedanken als InputKirchenbauKindergartengeschichtePakete als FriedensbrückeGutes BenehmenFotokunstKontakt-Einmachglas

Publikationen Geschichte:

8. Mai - 60 Jahre Kriegsende

Restaurierung der Pfarrscheune

Kleine Jubiläen 2005

Kleine Jubiläen 2006

Kleine Jubiläen 2007

Kleine Jubiläen 2008

Kleine Jubiläen 2009

Die drei Rossbacher Kirchen

Unser Marienaltar nach der Restaurierung

Die Vorgeschichte des Paul Schneider Freizeitheims

Nachruf für Margarete Schneider

Mission und Missionsfeste in Niederweidbach

Hagelschlagstag 2006

60 Jahre Kirchenchor

Der Seegottesdienst am Aartalsee

Nachruf für Edmund Dittmann

Johannes Calvin

Martin Bucer

475 Jahre Kirchengemeinde Niederweidbach

Neues zur Marienkirche

100 Jahre Ev. Gemeindehaus I

100 Jahre Ev. Gemeindehaus II

Roßbach

Wilsbach

Abendmahlsfrömmigkeit

Allgemein:

Startseite


1781 - um 1840 - 1971

Abgedruckt in: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 46, Juni bis September 2006, 22-26.


In Rossbach hat es bis zum heutigen Tag drei Kirchen gegeben, lediglich über zwei Kirchen sind jedoch bisher Einzelheiten bekannt gewesen. Um 1840 wurde die erste Kirche Rossbachs abgerissen, dann wurde ein Schulhaus gebaut mit Betsaal und 1971 wurde die heutige Kirche eingeweiht. Von dem alten Schulhaus gibt es noch Bilder, wie die Kirche heute aussieht, kann man sich anschauen, aber was war das für eine Kirche, die um 1840 abgerissen wurde? In dem Aufsatz von Edmund Dittmann/Dieter Schwarz („Die evangelische Kirche in Roßbach“ in der Festschrift „500 Jahre Marienkirche zu Niederweidbach“, Seite 87) heißt es zu dieser ersten Kirche: Schon vor dem Schulhaus „scheint es in Roßbach einen kirchlichen Raum gegeben zu haben. In alten Kirchenbüchern ist von einem „Templum“ die Rede. Dieses Gebäude stand ein wenig tiefer als das Schulhaus, und zwar auf der anderen Seite der Durchgangsstraße. In alten Kirchenregistern ist vermerkt, dass junge Leute, die heiraten wollten, hier zur „Buss“ herangezogen wurden. Außer der hier geübten „Kirchenzucht“ ist von diesem Gebäude nichts weiter bekannt“.

Durch den Fund eines Dokuments im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde ist es nun möglich, genaue Angaben über die erste Kirche in Rossbach zu machen. Es handelt sich um eine Beschreibung von 1781, in der Pfarrer Heinrich Christian Köhler alle drei Kirchen der Kirchengemeinde beschreibt. Köhler war 42 Jahre lang Pfarrer in Niederweidbach, von 1752 bis 1794. Er stammte aus Crainfeld im Vogelsberg. Köhler ist es auch, dem wir die bekannte und auch hier im Gemeindebrief „Miteinander“ schon mehrfach wiedergegebene Beschreibung des Hagelschlagtags verdanken. Seine Beschreibung der Kirche in Rossbach hat den Titel „Inventarium über die Kirche zu Roßbach der Pfarrey Niederweidbach“. Da unser Archiv nicht registriert ist und kein Findbuch existiert, habe ich dem Fundort des Dokuments vorläufig den Namen „Ablage 1781-1931 Abteil VI. a. (bzw. VI,2.) Bauwesen (Niederweidbach) 2. Orgel, Glocken, Mobiliar.“ gegeben. Der Text wird hier vollständig wiedergegeben in der damaligen Schreibweise:

„Inventarium über die Kirche zu Roßbach der Pfarrey Niederweidbach
Die Kirche zu Roßbach wird von der Gemeinde zu Roßbach gebauet von derselben unterhalten, und ist von Steinen auferbauet worden, das Jahr ist unbekannt in noch gutem Stand mitten im Dorf gelegen, in dem Brandeissencurations Catastro sub Nro. 48 mit assecurirt.
Das Schiff. ist 16 Schue hoch, 24 breit, und 28 ½ lang, in der Mitte unter der Thann eine höltzeren Säule. Mit einen teutschen Dach von Schiefersteinen, hat zwei Thüre. Eine mit 2 Flügeln von eichen Holtz, und eine alte Thür mit Eisen beschlagen, mit Angel und Banden, ein Schloß und Schlüßel. Ein Fenster, deßen Gestell in der Mauer stehet, von sechseckigten Scheiben, mit höltzernen Ramen und Windeisen. Zwey kleine Löcher ohne Fenster. Acht Stühle für die Weiber, 9 Schue lang, 2 ½ weit. Eine Kanzel von tannen Holz mit eichen begleitet, nebst Treppe von 4 Staffeln. Ein Pfarr Stuhl mit Gitter. Eine Treppe von eichen Holz von 10 Staffeln so auf die Emporbühne führet. Die lange Bühne 21 Schu lang, 4 ½ breit die Zwergbühne 15 Schu lang, und 4 ½ breit.
Das Chor ist unter dem Thurm mit einem Gewölb 15 ½ Schue hoch, 13 ½ breit und 14 Schue lang Darin befindet sich der Altar mit einem alten Schwarzen Tuch. Auf beyden Seiten des Altars sind Stühle 8 Schu lang und 3 breit vor alte Männer. Zwey schmale kleine Fensterge von kleinen runden Scheiben
Der Thurn welchen der Ort bauet und unterhält ist von Steinen gemauert, 21 ½ Schu lang, 21 ½ breit und 55 Schu hoch aufgeführet. Hierauf befindet sich
Der Glocken Stuhl zwey Glocken mit zwey Seiler. Eine alte Uhr
Nota Kein Schulhauß ist daselbsten“.

Die Kirche gehörte also der Kommune, damals wurde zwischen der Kommune und der Kirchengemeinde selten streng getrennt. Die Kirche war aus Steinen und sie war brandversichert. Um auszurechnen, wie lang und groß die Kirche war, muss man wissen, wie lang ein „Schu“ ist. Das Längenmaß „Schuh“ entspricht dem Längenmaß „Fuß“. Je nach Region war der Schuh/Fuß jedoch unterschiedlich lang. Im Bereich von Hessen-Darmstadt hatte der Fuß 25 Zentimeter, in Preußen 31,385 Zentimeter, im Bereich von Nassau 50 Zentimeter. Köhler verstand unter dem Fuß wohl den „hessischen“ Fuß von 25 Zentimetern. Das Dokument spricht von Stühlen für Weiber, Männer und den Pfarrer. Ein Stuhl konnte auch eine Bank sein. In manchen Kirchen gibt es bis heute – meist ungeschriebene – „Stuhlordnungen“. In Rossbach gab es kein Schulhaus.
Um 1840 muss die Kirche dann baufällig gewesen sein und die Kommune hat sich dann wohl entschlossen, das Problem mit der Kirche und das Problem mit dem fehlenden Schulhaus gemeinsam zu lösen, man baute eine Schule mit Betsaal, in dem zudem der Lehrer wohnte. Diese Lösung wurde meist dann gewählt, wenn es an Geld fehlte, Rossbach war wohl arm. Wann genau die Kirche abgerissen wurde, ist nicht bekannt, jedenfalls gab es sie 1858 nicht mehr, denn in diesem Jahr beginnt die Ortschronik der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach und dort erfahren wir nichts über die alte Kirche und das Schulhaus ist bereits erbaut (vgl. Ortschonik, Seite 306). Aus der Ortschronik erfahren wir auch, dass 1858 in Rossbach 250 Menschen lebten - die Bevölkerung Rossbachs hat also bis heute lediglich um 145 Personen zugenommen. Dass die Lebenssituation in Rossbach arm gewesen sein muss, sieht man auch daran, dass 1860 Rossbacher nach Amerika auswanderten. In der Ortschronik heißt es: „Jakob Schleenbecker von Roßbach wanderte mit seiner ganzen Familie am (sic!) 1860 nach Amerika aus. Am vorhergehenden Sonntag wurde wegen dieser Auswanderer ein öffentlicher Gottesdienst zu Roßbach gehalten und dieselben in feierlicher Weise aus der Gemeinde entlassen“ (Ortschronik, Seite 307). In dem neuen Schulhaus wurde dann 1871 eine Glocke aufgehängt.

1963 wurde die Mittelpunktschule in Niederweidbach eingeweiht, das Rossbacher Schulhaus verlor seine Bedeutung, da ab 1964 die Rossbacher Kinder nach Niederweidbach in die Schule gingen. Die Zivilgemeinde wollte der Kirchengemeinde das Schulhaus schenken. Dittmann schrieb am 4. März 1964 an die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau: „Die Zivilgemeinde Roßbach möchte der Kirchengemeinde ihr altes Schulhaus schenken. In dem Schulhaus befinden sich im Erdgeschoß der Schulsaal und drei Zimmer, im ersten Stock der Betsaal der Kirchengemeinde und drei weitere Zimmer. Seit der Eröffnung der Mittelpunktschule Niederweidbach im Herbst 1963 wird der Schulsaal nicht mehr benutzt. Der Lehrer war bereits vorher ausgezogen in eine Neubauwohnung. Die Zivilgemeinde baut ein Dorfgemeinschaftshaus und hat darum offenbar keine Verwendung für die Schule. Bis etwa 1840 hat in Roßbach eine Kapelle gestanden. Diese scheint wegen Baufälligkeit abgerissen worden zu sein, und dafür wurde das Schulhaus mit dem Betsaal gebaut. Die beiden Glocken auf dem Dachreiter des Schulhauses scheinen ebenfalls aus dieser Kapelle zu stammen. Der Betsaal ist seitdem ausschließlich von der Kirchengemeinde benutzt worden; dadurch ist wohl ein Gewohnheitsrecht entstanden. Wenn die Kirchengemeinde das Schulhaus übernähme, so müßte dieses gründlich erneuert werden. Fenster, Türen und Fußböden sind in schlechtem Zustand. Der Betsaal der 40-45 qm misst, müsste vergrößert werden. Es bliebe weiter die Frage, was mit den übrigen Räumen und dem Schulsaal im Erdgeschoß geschehen soll. Von den 305 Einwohnern Rossbachs sind 260 evangelische, 20 katholisch, 3 freikirchlich und 22 neuapostolisch. Die Rechtsverhältnisse zwischen Zivilgemeinde und Kirchengemeinde müßten irgendwann einmal geklärt werden. … In dem Betsaal findet jeden 3.-4. Sonntag Gottesdienst statt, sonntäglich ist dort Kindergottesdienst und im Winterhalbjahr eine Bibelstunde in der Woche. Für Bibelstunde und Kindergottesdienst reicht der Raum aus. Zu den Gottesdiensten erscheinen durchschnittlich 60-70 Erwachsene und etwa 10-15 Kinder. Nach der ersten Viertelstunde ist die Luft unter der niedrigen Decke verbraucht, und der Aufenthalt in dem Raum ist eine Anstrengung. Eine Vergrößerung des gottesdienstlichen Raumes ist darum notwendig, zumal das Dorf Roßbach auch in einem allmählichen Wachstum begriffen ist. ... Die Zivilgemeinde Roßbach würde sich auch verpflichten, der Kirchengemeinde nicht nur das Schulhaus mit Grundstück zu schenken, sondern auch den Abbruch des alten Schulhauses zu besorgen. Dann bliebe der Kirchengemeinde als Ablösung für den Betsaal ein Grundstück übrig, das allerdings sehr günstig inmitten des Dorfes liegt“ (Archiv Kirchengemeinde, 521-2 Gemeindehaus Rossbach, Bau 1964-1971 I).

Damit begannen die Planungen für ein neues Gemeindehaus auf dem 498 Quadratmeter großen Grundstück. Die Kirchengemeindevertretung beschloss am 25. Februar 1965, die Schenkung anzunehmen, das Schulhaus bis auf das Kellergeschoss abzureißen und auf den Fundamenten ein neues Gemeindehaus zu errichten. In einem Dachreiter sollten die beiden vorhandenen Glocken und eine neue Glocke aufgehängt werden. Bis zum März 1965 hatten sich 38 der 50 evangelischen Familien in Rossbach schriftlich verpflichtet, für das Gemeindehaus 22.000 Mark zu spenden. Dittmann hatte im November 1964 in einem Rundschreiben zu Spenden aufgerufen. Die Gesamtkosten wurden zu diesem Zeitpunkt mit 142.700 Mark angegeben. Bei den Verhandlungen und Planungen waren neben Dittmann Bürgermeister Kessler und Kirchenvorsteher Philipp beteiligt. Bis 1967 fanden noch gelegentlich Gottesdienste und Bibelstunden im Betsaal statt, dann wurde das Gebäude am 28. Juni 1968 abgerissen. Der Keller und die Grundmauern blieben stehen für das neue evangelische Gemeindehaus. Seit Fertigstellung des Dorfgemeinschaftshauses in Rossbach wurde der Gottesdienst aus dem Betsaal in das Dorfgemeinschaftshaus verlegt. 1964 begannen die Überlegungen und Pläne für ein evangelisches Gemeindehaus in Rossbach. Im Januar 1968 teilte die Landeskirche in einem Vorbescheid mit, dass der Bau in Rossbach in das Programm 1968 aufgenommen ist. Auf den Grundmauern des alten Schulhauses wurde dann ein neues Gebäude errichtet, eine Kirche mit einem freistehenden Glockenturm. Architekt war K. Bollmann aus Herborn. Ende Januar 1971 wurde der Kirchturm aufgestellt, er besteht aus drei 17 Meter hohen freistehenden Säulen aus Fertigbeton. Die Glockenstube befindet sich in einer Höhe von zehn Metern. Hier hängen zwei Glocken. Die Glocken wurden von der bürgerlichen Gemeinde angeschafft und weiterhin von ihr gewartet. Für den Bau der Kirche gingen 22.000 Mark an Spenden ein, durch sie wurde insbesondere der Glockenturm finanziert. Am 11. Juli 1971 wurde die Kirche eingeweiht, Propst Karl Zöllner aus Herborn und Landrat Sorge waren dabei. Der Posaunenchor Niederweidbach spielte, der Kirchenchor Niederweidbach sang. Die Kirche kostete 166.234 Mark, sie hat 110 Sitzplätze. Der Gottesdienst fand nun vierzehntätig (zwei- bis dreimal im Monat) in dieser Kirche statt. Küsterinnen waren von 1970 bis 1997 Lina Pachaly und seit 1998 Regina Scheliga. 1974 wurde ein Harmonium und 2000 eine Computer-Kirchenorgel angeschafft.

In den Jahren 1992 bis 1993 wurde erwogen, die Heizung der Kirche umzustellen von Strom auf Gas. Dies wurde nicht realisiert. Die Glocken im Glockenturm wurden bei den Verhandlungen zwischen der bürgerlichen Gemeinde und der Kirchengemeinde 1988 von der Kirchengemeinde übernommen. 1995 wurde der Glockenturm saniert und 1996 wurden Buntglasfenster eingebaut, die der Künstler Manfred Staudt aus Darmstadt gestaltet hat. Seit 1994 findet wöchentlich in Rossbach Gottesdienst statt.

Frank Rudolph