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Abgedruckt in: Miteinander. Gemeindebrief der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach, Nr. 47, Oktober bis Dezember 2006, 26-35. Erweitert 22.12.2006.


1858 fand das erste Missionsfest in Niederweidbach statt. Seit 1906 unterstützt die Evangelische Kirchengemeinde Niederweidbach die Rheinische Mission/Vereinte Evangelische Mission (VEM). Wir haben am 27. August 2006 die 100-jährige Verbindung von Niederweidbach mit der Rheinischen Mission/VEM gefeiert. Die Evangelische Kirchengemeinde Niederweidbach, die aus der Mission entstanden ist, beteiligt sich ihrerseits an der Mission Gottes.

1. Die Kirchengemeinde in Niederweidbach – aus der Mission entstanden
Die Gegend um Niederweidbach wurde wohl um 800 durch Bonifatius und seine Mitarbeiter missioniert. Die Missionierung der Region an der Lahn war bereits Anfang des 8. Jahrhunderts abgeschlossen, die des Hinterlandes geschah spätestens in den ersten Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts durch Bonifatius. Einer Legende nach kam das Christentum bereits um die Mitte des 4. Jahrhunderts von Trier aus an die Lahn durch den Priester Lubentius. Dietkirchen sei der Mittelpunkt seiner Mission gewesen. Eine kritische Überprüfung ergibt, dass es im 4. Jahrhundert einen Priester Lubentius in Kobern gegeben hat, dass er jedoch im Lahngebiet missioniert hat, lässt sich wissenschaftlich nicht nachweisen. Nicht auszuschließen ist, dass christliche Vorstellungen und Lehren vor Bonifatius im heimischen Raum verbreitet wurden. Die Reliquien des Lubentius kamen im 8. oder 9. Jahrhundert nach Dietkirchen, die Kollegiat- und Stiftskirche St. Lubentius in Dietkirchen ist 841 erstmals bezeugt. Lubentius war der Patron der Lahnschiffer. Bonifatius wurde zwischen 672 und 675 in Wessex geboren, vielleicht in Crediton. Er wurde Missionar und ein Mitarbeiter von seinem Landsmann Willibrord in Echternach und im Gebiet von Utrecht. Er trennte sich von Willibrord und wählte die Stammesgebiete der Chatten (Hessen) und Thüringer als eigene Missionsbezirke. Diese Gebiete standen unter fränkischer Oberherrschaft. Der Frankenkönig Chlodwig hatte sich 498 taufen lassen. Dadurch war das Frankenreich zu einem christlichen Reich geworden und die christliche Kirche stand unter dem Schutz des Frankenkönigs. Spätestens seit dem Anfang des 6. Jahrhunderts war das gesamte Mittel- und Südhessen in den fränkischen Herrschaftsbereich eingegliedert. Karl Martell (714-741) erleichterte die Missionstätigkeit des Bonifatius. Bonifatius kam 721 nach Amöneburg. Die Religion, die er in diesem Gebiet vorfand, bestand aus einer Mischung von heidnischen Resten und unklaren christlichen Vorstellungen. Bonifatius siedelte in Amöneburg eine kleine Mönchsgemeinschaft an und errichtete eine dem Erzengel Michael geweihte Kirche. Das Missionswerk schritt rasch voran. 722 empfing Bonifatius die Bischofsweihe durch Papst Gregor II. Bonifatius gründete Kirchen und Klöster. 723 fällte er in Geismar bei Fritzlar die Donareiche. Aus einem Brief von Bonifatius aus dem Jahr 738 geht hervor, dass das Lahngebiet missioniert ist. 744 gründete er das Kloster Fulda. Nach seinem Tod entstand bald ein Kult um ihn, der besonders in Fulda gepflegt wurde.
Martin von Tours war ein beliebter Heiliger bei den Franken, daher sind viele Kirchen aus fränkischer Zeit ihm geweiht. Martinskirchen befinden sich in Gladenbach, Dautphe, Buchenau und Bromskirchen. Durch Urkunden erwähnt sich die Kirchen in Blasbach (797), Nauborn (778, 806), (Nieder- oder Ober-) Kleen (804-806), Oberndorf bei Burgsolms (788), Wetzlar (790?/897?) und Wieseck (778). Die früheste urkundlich erwähnte Kirche des Hinterlandes ist die Kirche in Breidenbach, rund 30 Kilometer von Niederweidbach entfernt. Die Erwähnung datiert ins Jahr 913. Manches spricht jedoch dafür, dass die erste Gründung einer Kirche in Breidenbach im Zusammenhang mit der Missionstätigkeit von Bonifatius stattfand, der möglicherweise eine Taufkapelle für den Perfgrund errichtete. In vorreformatorischer Zeit war Breidenbach Sitz eines Dekanates mit 29 Ortschaften. Auch die Gründung der Kirche in Lixfeld soll ins 8. Jahrhundert zurückreichen. In Dautphe wurde 1070 eine romanische Martinskirche geweiht. Die Martinskirche in Gladenbach stellte wohl bereits in früher Zeit der Christianisierung das zentrale Kirchspiel für das südliche Hinterland dar.

2. Erweckung und Mission
1000 Jahre später entstand der Wunsch, sich an der Mission zu beteiligen, dies war das „Missionserwachen“ an der Wende zum 19. Jahrhundert. Dieser Wunsch hing mit der Erweckungsbewegung zusammen. Seit Ende der 1830er Jahre wurde der Bereich des Dillkreises und des Hinterlandes (die Region um Dillenburg, Herborn, Bad Marienberg, Gladenbach und Biedenkopf) von der Erweckungsbewegung im Siegerland und in Elberfeld erfasst. Arbeiter und Handwerker, die im Siegerland arbeiteten, brachten die Erweckungsbewegung in ihre Heimatorte im Hinterland mit, wo sie Kreise zog. Reiseprediger besuchten die Orte und verbreiten die erweckliche Frömmigkeit. Unabhängig voneinander entstanden an drei verschiedenen Orten des Kreises Biedenkopf pietistische Konventikel, in Bromskirchen (vor 1829), in Biedenkopf (1832) und in Gladenbach und Hartenrod (1837). Viele Menschen erfuhren eine Wende in ihrem Leben, eine Bekehrung. Der Glaube an Jesus Christus, der ihnen vorher kaum etwas bedeutete, wurde ihnen zur Mitte ihres Lebens. Die Bibel wurde Grundlage für ihr Denken, Wollen und Handeln. Die vom Rationalismus geprägte Kirche verhielt sich in den ersten Jahrzehnten meist zurückhaltend bis ablehnend. Ein beträchtlicher Teil der Prediger und der Erweckten trennte sich innerlich und dann auch äußerlich von der verfassten Kirche. Die neuen Gruppen wurden teilweise bekämpft, die Versammlungsfreiheit von 1848 brachte ihnen jedoch vermehrte Freiheit. Die Erweckungsbewegung brachte eine Kirchenaustrittsbewegung aus der Landeskirche ab 1860 mit sich. Gemeinschaften neben der Kirche entstanden, die vielerorts auch gegen die Kirche ausgerichtet waren. In den 1880er Jahren kam es zu einer Trennung von Landeskirche und Erweckungsbewegung im Hinterland. Auch in der Kirche trat eine Veränderung ein. Es entstanden Kindergottesdienste, Bibelstunden und Evangelische Vereine. Der bekannteste Verein, der bis heute besteht, ist der Herborn-Dillenburger Gemeinschaftsverein. Die Kirchengemeinde Oberhörlen feierte am 1. Juni 1852 das erste Missionsfest im Hinterland, noch ohne Genehmigung des zuständigen Superintendenten in Gießen. Weitere Gemeinden schlossen sich an. Das zweite Missionsfest des Hinterlandes fand am 25. Juli 1856 in Bottenhorn statt, diesmal war es vom Superintendenten genehmigt worden. 1858 gab es zwei Missionsfeste, eines in Oberhörlen und eines in Niederweidbach. 1863 wurde die Buchhandlung des Hessen-Nassauer Kolportage-Vereins in Herborn gegründet.

3. Die ersten Missionsfeste in Niederweidbach
Am 25. Mai 1858, es war der dritte Pfingsttag, wurde in Niederweidbach mit Genehmigung des Großherzoglichen Oberkonsistoriums das Missionsfest gefeiert. Vikar August Diefenbach, der damalige Ortspfarrer, war der Liturg. Der Pfarrer aus Waldgirmes sprach über die Arbeit der äußeren Mission, der Pfarrer aus Rodheim berichtete über die Innere Mission. Der Königsberger Pfarrer übernahm Schlussgebet und Segen. Die Kollekte in Höhe von 33 fl. 20 wurde für die Arbeit von Pastor Harms in Hermannsburg und das Kinderheim im Kloster Arnsburg gegeben. Niederweidbach war also bei den ersten Gemeinden im Hinterland, die Missionsfeste feierten. Alle Missionsfeste im Hinterland erfreuten sich eines regen Zuspruchs, brachten ansehnliche Kollektenerträge und entwickelten sich zu regelrechten christlichen Volksfesten. Bei den Missionsfesten wurden die auswärtigen Gäste von den Familien des Dorfes zum Kaffee eingeladen. Die Missionsfreunde tauschten in den Häusern die neuesten Nachrichten aus und blieben oft mehrere Stunden. In Niederweidbach gab es im 19. Jahrhundert drei Missionsfeste: 1858, 1863, 19. Juli 1865, 1868 und 1898. 1865 entstand in Niederweidbach ein lutherischer Missionsverein, mehr als hundert Mitglieder aus den drei Dörfern der Kirchengemeinde traten ihm bei. Die Mitglieder verpflichteten sich, wöchentlich einen Kreuzer für die Mission zu spenden. Das Geld wurde zu gleichen Teilen dem Hermannsburger und Leipziger Missionswerk übersandt. Zu dem Gemeindefest 1865 hatte man an den Dorfeingängen „Ehrenpforten“ errichtet. Die Kirche und die Umgebung waren festlich geschmückt. Eine weiße Fahne mit rotem Kreuz flatterte vor der Kirche. Nach dem Missionsfest 1865 wurde lange Zeit kein Missionsfest gefeiert, dies hat wohl an den damaligen Pfarrern in Niederweidbach gelegen. Von 1864 bis 1869 war Richard Schuster Pfarrer in Niederweidbach, von 1870 bis 1894 Albert Adolph Friedrich Wilhelm Schenck , von 1894 bis 1897 Hans Fischer und von 1897 bis 1905 Wilhelm Wüst. Schwarz vermutet, dass es an den längeren Krankheitsperioden von Schenk lag, dass keine Missionsfeste gefeiert wurden. Dies kann aber nicht der einzige Grund gewesen sein, da auch während der Zeit von Fischer die Missionsfeste ausfielen. Das nächste Missionsfest fand 1898 statt. Es sollen mehr als eintausend Besucher gewesen sein. Der Kirchenchor aus Hartenrod und die Niederweidbacher Schulkinder wirkten musikalisch mit. Es wurde vereinbart, alle zwei Jahre ein Missionsfest zu feiern.

4. Hermannsburger und Leipziger Mission
Die Kollekten des Missionsfestes wurden zunächst an das Hermannsburger und das Leipziger Missionswerk abgeführt. Gründer der Hermannsburger Mission war Ludwig Harms. Er erlebte um 1830 eine Bekehrung, 1849 wurde er Pfarrer in Hermannsburg bei Celle, im gleichen Jahr gründete er seine Missionsanstalt. Seine Verkündigung wirkte weit über Hermannsburg hinaus. Er verband den Pietismus mit dem konfessionellen Luthertum. Die Versuche von Harms, seine Mission an die Hannoversche Landeskirche zu übergeben, waren erfolglos. Zunächst versuchten die Hermannsburger Missionare vergeblich zu den Galla in Äthiopien zu gelangen. Dann begannen die Hermannsburger Missionare 1854 mit der Arbeit in Natal (Afrika), wo sie eine Hermannsburger Kolonie gründeten. 1856 wurde die Missionsbuchhandlung in Hermannsburg eröffnet. Seit 1864 wirkten Missionare in Südindien. 1865 sandte die Mission Mitarbeiter nach Nordamerika, 1866 wurden Missionare nach Australien geschickt, 1875 nach Neuseeland. Die Arbeit in Neuseeland wurde 1900 an die lutherischen Synoden in Australien abgegeben.
Die Evangelisch-lutherische Mission in Leipzig entstand aus der Evangelisch-Lutherischen Mission von Dresden. Das Missionswerk wurde 1836 in Dresden unter Mitwirkung altpreußischer Lutheraner als bewusst lutherische Mission gegründet. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts war sie die größte lutherische Mission in Deutschland. Die Leipziger Jahresfeste wurden in der Pfingstwoche gefeiert. Die Leipziger Mission arbeitete zunächst in Australien, dann in Südindien, dann in Tanganyika. Mit der Niederweidbacher Unterstützung dieser beiden Missionsgesellschaften wurden zwei dezidiert lutherische Missionswerke unterstützt, zu denen in der damaligen Zeit noch die Neuendettelsauer Mission und die Schleswig-Holsteinische Mission gehörten.

5. Innere und Äußere Mission

Innere und Äußere Mission waren bei den Missionsfesten eng verbunden. Beim Missionsfest 1858 wurde erst über die Äußere, dann über die Innere Mission gesprochen. In Wetzlar hatte sich bereits 1841 ein Hülfs-Missionsverein für die Innere und Äußere Mission gegründet und 1842 fand in Wetzlar wohl der erste Missionsgottesdienst statt. Er wollte dem Aufbau und dem Ausbau des Reiches Christi seine Kräfte widmen. Die organisierte äußere Mission ist älter als die organisierte Innere Mission. Die ersten freien Missionsgesellschaften für die Äußere Mission entstanden 1792 und 1795 in England aus der Erweckungsbewegung heraus als christliche „Bürgerinitiativen“. Die organisierte Innere Mission in Deutschland entstand nach dem Aufruf von Johann Hinrich Wichern beim ersten deutschen evangelischen Kirchentag 1848.

6. Der Niederweidbacher Missionsverein und die Rheinische Mission
1906 schloss sich der Niederweidbacher Missionsverein enger der Rheinischen Mission an. In der Ortschronik im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach heißt es:

„Bezüglich der Arbeit für die Heidenmission wurde ein engerer Anschluß an die rheinische Missionsgesellschaft hergestellt hauptsächlich deshalb, weil das Kirchspiel wegen der Nähe des Dillkreises, in den es mit Bischoffen hineinragt, wo man ausschließlich für Barmen tätig ist und weil der ständig in Herborn stationierte Barmer Missionar ohne Schwierigkeiten jederzeit das Kirchspiel erreichen kann, an die Barmer Missionsgemeinschaft. In der Folge hat es sich dann auch herausgestellt, daß dank den beständigen Anregungen, die vom Dillkreis und dem dortigen Missionar herkommen, viel intensiver als vorher für die Mission gearbeitet werden konnte.
Am 9. September 1906 wurde (…?) unter der schon von früher her gewohnten starken Beteiligung von nah und fern ein Missionsfest in Niederweidbach gefeiert. Die Festpredigt vom Vormittag hielt Pfr. Kranz von Haiger, in der Nachversammlung am Nachmittag
sprachen außer diesem Missionar Reitze-Sumatra und Pfarrer Schneider-Wilsbach. Die Festkollekte betrug 131 M und wurde der Rheinischen Mission überwiesen. Der gleichzeitige Verkauf von Missionsschriften und Ansichtskarten ergab den Betrag von 25 Mk 20 Pfg. Es wirkte bei dem Fest der Wilsbacher gemischte Chor mit.“

Die Rheinische Mission war 1828 aus vier Missionsvereinen gegründet worden, der Elberfelder Missionsgesellschaft (gegründet 1799), der Barmer Missionsgesellschaft (gegründet 1818), der Weseler Missionsgesellschaft und der Kölner Missionsgesellschaft (gegründet 1822). Die Rheinische Mission war nicht konfessionell ausgerichtet. 1829 wurden die ersten Missionare ausgesandt. 1832 wurde das Missionshaus eröffnet. Missionare der Rheinischen Mission arbeiteten zunächst in Südafrika, dann in Indonesien, dann in Namibia, China und Papua-Neuguinea.
Missionar Heinrich Reitze, der 1906 in Niederweidbach predigte, wurde am 15. August 1862 in St. Georg bei Homberg geboren und er starb am 1. Oktober 1938 in Bergheim/Waldeck. Er verlor früh den Vater, erlernte das Schneiderhandwerk, kam in Hörde zur Bekehrung und wurde 1885 ins Barmer Missionshaus aufgenommen. 1891 wurde er ordiniert. Er war von 1891 bis 1893 in Nias, dort begleitete er Missionar Lett, der die Mission auf Nias von der Ostküste zur Westküste ausdehnte. Sie legten die Station Fadoro an, dort entstand eine erste Gemeinde. Da beide immer wieder am Fieber erkrankten, siedelten sie nach Sumatra um und arbeiteten in der Batakmission. Von 1894 bis 1933 war Reitz in Sumatra. Er wohnte zunächst in Balige, dann baute er die neue Station Djandji matogu in Uluan an. Während seiner Zeit in Sumatra hatte er zwei Heimaturlaube, in dieser Zeit wohnte er wohl zeitweise in Herborn und predigte bei den Missionsfesten. Später arbeitete Reitz auf der Insel Samosir. 1933 kam er in den Ruhestand nach Deutschland zurück.
In den Sätzen aus der Ortschronik wird deutlich, dass Niederweidbach und Bischoffen eng zusammen gesehen wurden. Das Dorf Bischoffen gehörte von 1827 bis 1921 zur Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach. Im Winter 1907 und im Frühjahr 1908 fand in Bischoffen eine Erweckung statt. Dies weckte neue Kräfte und vermehrte das Engagement der Kirchengemeinde für die Missionsarbeit. Das Missionsfest Anfang August 1908 war wieder ein Höhepunkt der Gemeinde. Pfarrer Kaldenbach aus Ackerbach, Pfarrer Kirchner aus Bischoffen und Missionar Albert Hoffmann sprachen. Missionar Hoffmann wurde am 11. Dezember 1865 in Zeppenfeld/Siegen geboren und starb am 11. Januar 1942 in Rödgen/Sieg. Er war von 1892 bis 1904 Missionar im Kaiser-Wilhelms-Land (Papua-Neuguinea) und von 1904 bis 1914 und von 1914 bis 1937 Heimatmissionar. 1908 sprach er in Niederweidbach.
Ein junger Mann aus der Kirchengemeinde Niederweidbach begann in den folgenden Jahren die Ausbildung zum Missionar in Wuppertal. Er wurde bald als tropenuntauglich befunden und musste seine Ausbildung abbrechen.

7. Mission in der Nachkriegszeit
In der Nachkriegszeit wurden die Mission und die Volksmission (Evangelisation) neu entdeckt und forciert. Missionsfeste, die während des Nationalsozialismus erschwert oder verboten waren, wurden wieder gefeiert. Mission und Evangelisation wurden von Seiten der Kirchen als Mittel gesehen, das verirrte Volk wieder zu Gott zu rufen. Im Sommer und im Herbst 1946 wurden in der Kirchengemeinde Niederweidbach gleich vier Missionsveranstaltungen gefeiert. Am 23. Juni 1946 war Volksmissionssonntag in Niederweidbach mit Pfarrer Schlenker aus Marburg. Das Thema war: „Zurück zu Gott“. Am 30. Juni war Jugendsonntag in Niederweidbach mit Missionar Schneider aus Erndtebrück. Das Thema war: „In dir ist Freude“. Am 25. August 1946 fand in Rossbach ein Volksmissionstag mit 400 Teilnehmern statt. Pfarrvikar Karl Kastner aus Bischoffen, der Niederweidbach, Oberweidbach und Rossbach mit betreute, begrüßte zu Beginn, Pfarrer Steingräber aus Herborn und Herr Löffler aus Offenbach sprachen. Die Kollekte von 550 RM wurde dem Herborner Verband gegeben. Am 22. September 1946 war das Missionsfest in Niederweidbach. Festprediger war Missionar Haibach aus Herborn. Die Kirche war am Nachmittag bis auf den letzten Platz besetzt, 600 Personen wurden gezählt. Auch Pfarrer Jacobi aus Eisemroth und Herr Löffler sprachen. Der Bischoffener Chor sang. 1949 wurde der Missionssonntag vom Kirchenvorstand auf den letzten Sonntag im August festgelegt.

8. Rheinische Mission/VEM und der Wandel der Missionstheologie
1971 wurde die Rheinische Mission umbenannt. Aus der Rheinischen Mission wurde die Vereinigte Evangelische Mission (VEM), da zur Rheinischen Mission die Bethelmission hinzukam. Die Bethelmission war ursprünglich 1886 als Evangelische Missionsgesellschaft für Deutsch-Ostafrika (EMDOA) gegründet worden. Ihre Arbeitsgebiete lagen in Tansania und Ruanda. 1979 kam noch die Zaire-Mission zur VEM hinzu.
Ende der 1960er/Anfang der 1970er Jahre begann eine neue Missionsperiode. Bereits bei der 6. Weltmissionskonferenz 1957/1958 in Ghana hatte sich ein neues Denken in der Missionstheologie angebahnt. Die Verwicklung der Missionsgesellschaften in Kolonialismus und Rassismus wurde ausgesprochen. Die VEM nahm die Kritik an der „Westmission“ und der „Einbahnstraßenmission“ auf und bekannte ihre Schuld. Seit 1973 sendet sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nur noch auf Anfrage aus und suchte nach Wegen zu einer mündigen Partnerschaft zwischen den Kirchen. 1978 – beim 150. Jubiläum der Rheinischen Mission – begann innerhalb der VEM der Prozess „United in Mission“. Die Verbundenheit der durch die VEM verbundenen Kirchen in den drei Erdteilen Europa, Afrika und Asien wurde betont. Es wurde eine gemeinsame Missionsgemeinschaft gegründet. Aus der sternförmigen Verbindung mit Wuppertal im Mittelpunkt wurde eine Gemeinschaft aller Kirchen in Gleichberechtigung und Gemeinschaft. Der Süd-Süd-Austausch zwischen den Kirchen in Afrika und Asien begann. 1993/1996 wurde aus der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) die Vereinte Evangelische Mission (VEM), aus dem Missionswerk eine Missionsgemeinschaft von Kirchen. Die VEM ist damit eine internationale Missionsgemeinschaft aus 33 Partnerkirchen. In Wuppertal-Barmen befindet sich das Missionshaus und die Ökumenische Werkstatt als Tagungshaus der VEM.

9. Tansania Arbeitskreis im Evangelischen Dekanat Gladenbach
1994 wurde eine Partnerschaft zwischen dem Evangelischen Dekanat Gladenbach und Ngara und Nkwenda in Tansania geschlossen. Im Ngara-Distrikt in Tansania gibt es elf Gemeinden. Ngara liegt nahe zur Grenze von Ruanda und Burundi. Hier haben die UNO und Non Gouvermental Organisations (NGOs) im Zusammenhang mit den Bürgerkriegen Zentralen eingerichtet. Dies hat das kirchliche Leben dort beflügelt. 1996 war im Rahmen dieser Partnerschaft eine vierköpfige Besucherdelegation aus dem Ngara-Distrikt in Niederweidbach zu Gast. Das Projekt in Fanaka wurde unterstützt, es gehörte jedoch nicht zur direkten Partnerschaft des Evangelischen Dekanates Gladenbach. Dekan Matthias Ullrich war Anfang 2006 drei Wochen lang mit einer Delegation des Evangelischen Dekanates Gladenbach in Tansania. Im Rahmen der Partnerschaft wurden vier Fonds eingerichtet, ein Ausbildungsfonds, ein Fonds für die medizinische Versorgung, ein Gebäudefonds und ein Fahrradfonds. Die Partner in Tansania entscheiden vor Ort, in welche Projekte das Geld fließen soll, Komitees wachen über die korrekte und zielgerichtete Verwendung der Fondsmittel. Kein Hilfsprojekt wird komplett von Deutschland aus finanziert. Die Gemeinden in Tansania bringen selber auch Beiträge auf. Die Delegation besuchte auch das kirchlichen Ausbildungszentrum in Nkwenda. Seit 1994 unterhält das Dekanat Gladenbach auch eine Partnerschaft zu dieser Einrichtung, in der junge Frauen zu Vorschulerzieherinnen und Gemeindepädagoginnen ausgebildet werden. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) ist Partnerkirche der VEM. In unser Dekanat sind im März 2006 Yoram und Judith Karusya aus der Karagwe-Diözese in Tansania gekommen. Yoram Karusya wird für fünf Jahre als Pfarrer im Evangelischen Dekanat Gladenbach und in der Kirchengemeinde Waldgirmes arbeiten. Ermöglicht hat dies das Süd-Nord-Austauschprogramm der Vereinten Evangelischen Mission (VEM) in Wuppertal.

10. Missionsbüchsen und Kollekte vom Missionsfest
Etwa 60 Familien in der Kirchengemeinde Niederweidbach haben in ihren Häusern Missionsbüchsen, in die sie einmal oder mehrmals im Jahr für sich Geld für die Mission sammeln. Die Büchsen werden bis zum Donnerstag vor dem Missionsfest im Pfarramt abgegeben. Der Betrag kommt der Mission zu gute. Nach dem Missionsfest, das gewöhnlich im August gefeiert wird, werden die Büchsen wieder in die Familien verteilt. Beim Missionsfest 1977, bei dem ein indonesischer Studentenchor dabei war, betrug die Missionskollekte 5483,24 Mark. In den Jahren 1998 bis 2006 wurden insgesamt 28.201.01 Euro zusammengelegt, durchschnittlich 3.133,45 Euro pro Jahr. Von diesem Geld erhielten: Der Gideonbund und das Missionsteam ETB Brasilien je 250 Euro; die von Bodelschwinghschen Anstalten, die Christoffel-Blindenmission und das Evangelische Missionswerk Südwestdeutschland je 256 Euro; der Evangeliumsrundfunk Wetzlar und die Partnerschaft Ruhia je 500 Euro; der Amani Gospel Chor, die Mission Populaire Evang. de France und die Bahnhofsmission Frankfurt je 511 Euro; die Diakoniestation Gladenbach 950 Euro; der Evangelische-Gemeinschaftsverband Herborn 2.000 Euro; das Evangelisch-lutherische Missionswerk Hermannsburg (einschließlich der Unterstützung der Indianermission in Brasilien durch Walter Sass) 3.125 Euro; die VEM 5.674 Euro und die Tansania-Partnerschaft des Dekanates Gladenbach (die ihrerseits mit der VEM verbunden ist) 11.120 Euro.

Die Missionsarbeit von Walter Sass bei den Deni in Brasilien wurde der Evangelischen Kirchengemeinde Niederweidbach eindrücklich durch Pfarrer und Missionar Hans-Werner Damerow bekannt gemacht, der sich nach seinem Dienst in Gütersloh und Brasilien im Ruhestand in Bicken niederließ und der regelmäßig Vertretungsgottesdienste in Niederweidbach, Oberweidbach und Rossbach übernimmt. Von Damerow gibt es eine Verbindung zu Missionar Lett, der mit Missionar Heinrich Reitze zusammenarbeitete. Damerow schreibt in einem Brief vom 2. November 2006 an den Verfasser (ausgelöst durch meinen Aufsatz im Gemeindebrief): "In meiner ersten Gemeinde in Gütersloh hatte ich den Kindergottesdienst für die 3 innerstädtichen Pfarrbezirke zu verantworten (Sonntag für Sonntag etwa 100 Kinder, betreut von 12 Helfern und Helferinnen). Zu den Helfern zählte auch Fräulein Dora Lett, eine schon recht betagte Dame von zierlicher Gestalt, etwas verbuscht und zaghaft, wahnsinnig schlicht gekleidet, fast ärmlich, Haare streng nach hinten mit Knoten, aber das Treuste, was man sich denken kann, in jedem Gottesdienst, jeder Gemeindeveranstaltung, später, als ich in Brasilien war, immer dabei, wenn es in Gütersloh um Hilfssendungen und Sammelaktionen für unsere Auslandsgemeinde ging, in meiner Erinnerung geradezu eine "Heilige". Sie war die Tochter von Missionar Lett und erzählte immer wieder unter Tränen, daß ihr Vater nach segensreichem Wirken schließlich auf Mentawei von "Wilden" erschlagen worden sei. Vielleicht hat mich das - unter anderem - auch dazu motiviert, einmal "hinauszugehen" und bis heute gerade für die "Wilden" zu sorgen."

Frank Rudolph


Literatur


Zu Kapitel 1
Gebauer
, Norbert: Die mittelalterliche Kirchenorganisation. In: 700 Jahre Bischoffen. 1299-1999. Aus der Geschichte unseres Dorfes, 1999, 119-124 (bes. 121).
Himmelreich, Friedrich Heinrich: Kirchen und Pfarreien der Synode Braunfels, die im Mittelalter zum Archipresbyterat Wetzlar gehörten. In: MRKG 32 (1938), 178-187.
Kathrein, Werner: Der Heilige Bonifatius – Leben und Wirken. In: Bonifatius 754-2004. Herausgegeben vom Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken. 2. überarbeitete Aufl. Paderborn, 2003, 4-37.
Keller, Hiltgart L.: Lexikon der Heiligen und biblischen Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. 10., bibliographisch neu bearbeitete Auflage. Stuttgart: Reclam, 2005.
Lotz, Wilhelm: Die Baudenkmäler im Regierungsbezirk Wiesbaden. Herausgegeben von Friedrich Schneider. Berlin: Ernst und Korn, 1880. Unveränderter Neudruck: Walluf, 1973.
Nassauer, Martin: Dautphe wie´s damals war. Ein Blick zurück in Dautphes vergangene Tage. Ein volkskundlicher Beitrag zur Ortsgeschichte von Dautphe. Herausgegeben vom Festausschuss 1200 Jahre Dautphe. Bad Berleburg, 1990.
Ostrowski, Ursula: Die evangelische Kirche zu Breidenbach. Ersterwähnung 913. Herausgegeben vom Kirchenvorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Breidenbach 2005.
Persch, Martin: Art.: Lubentius. In: BBKL Bd. V (1993), 290-292.
Pfeiffer, H./Klapsch, M.A.: Aus der Kirchengeschichte (von Erda). In: Heimatbuch der Gemeinde Erda. Herausgegeben vom Arbeitskreis Dorfchronik anlässlich der 1200-Jahrfeier der Gemeinde Erda 771-1971, 1971, 161-183.
Rath, Brigitte: Die Geistliche Entwicklung von Kölschhausen. In: 750 Jahre Kölschhausen 1253-2003. Geschichte und Geschichten. Zusammengestellt von Helmut Weller. Wetzlar: Bechstein, 2003, 86-104.
Runzheimer, Jürgen: Die Geschichte der Kirche. In: Blume, Dieter; Runzheimer, Jürgen: Gladenbach und Schloß Blankenstein. Aus Geschichte und Natur eines Amtes im hessischen Hinterland. Herausgegeben von der Kur- und Verkehrsgesellschaft Gladenbach anl. der 750-Jahrfeier. Marburg: Hitzeroth, 1987, 185-210.
Ruttmann, Hermann: Vielfalt der Religionen am Beispiel der Glaubensgemeinschaft im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Marburg, 1995.
Schmidt, Karl: Gottes Wort und Luthers Lehr. Hinterländer Heimatbuch zur 400jährigen Jubelfeier der Reformation 1926. Biedenkopf: Verlag des Hinterländer Rettungsverein, 1926.
Schoenwerk, August: Geschichte von Stadt und Kreis Wetzlar. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage von Herbert Flender, Wetzlar: Pegasus, 1975.
Schwarz, Dieter: Die Geschichte der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. (Hg.): 802-2002. Weidbach 1200 Jahre. Ein Heimatbuch, Marburg: Druckhaus Marburg, 2002, 36-60.

Zu Kapitel 2
Lehmann
, Gerhard: Die Erweckungsbewegung im Hessischen Hinterland. In: JbHessKGV 26 (1975), 267-336.
Lehmann, Gerhard: Der Wind bläst, wo er will… Modell einer Erweckung. Wuppertal: Reinhard Kawohl, 1974.
Ruttmann, Hermann: Vielfalt der Religionen am Beispiel der Glaubensgemeinschaft im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Marburg, 1995.

Zu Kapitel 3
Lehmann
, Gerhard: Die Erweckungsbewegung im Hessischen Hinterland. In: JbHessKGV 26 (1975), 267-336.
Lehmann, Gerhard: Der Wind bläst, wo er will… Modell einer Erweckung. Wuppertal: Reinhard Kawohl, 1974.
Schwarz, Dieter: Die Geschichte der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. (Hg.): 802-2002. Weidbach 1200 Jahre. Ein Heimatbuch, Marburg: Druckhaus Marburg, 2002, 36-60 (besonders 39).
Kloos, Hermann: Im Quellgebiet der Aar. Unsere engere Heimat einst und jetzt. I. Band. Niederweidbach, 1967 (für den Zeitraum um 1880 erwähnt Kloos einen Pfarrvikar Kondörfer).

Zu Kapitel 6
Schwarz
, Dieter: Die Geschichte der Evang.-Luth. Kirchengemeinde Niederweidbach. In: Interessengemeinschaft Weidbacher Vereine e.V. (Hg.): 802-2002. Weidbach 1200 Jahre. Ein Heimatbuch, Marburg: Druckhaus Marburg, 2002, 36-60 (besonders 39f).
Warneck, Johannes: Missionar H. Reitze zum Gedächtnis. In: Berichte der Rheinischen Missionsgesellschaft 1938, 329-331.
Hoffmann, Albert: Ich bin vor vielen wie ein Wunder. Ansprache von Missionar Hoffmann in der Barmer Stadthalle während der Wuppertaler Festwoche. In: Missionsblatt. Barmen, 1908, 74-76.
Menzel, Gustav: Die Rheinische Mission. Aus 150 Jahren Missionsgeschichte. Wuppertal: Verlag der Vereinigten Evangelischen Mission, 1978.
Kleine, Hans de (Hg.): Zum Thema: 150 Jahre Mission. Anfänge, Entwicklungen, Ergebnisse, Ziele. Wuppertal: Verlag der Vereinigten Evangelischen Mission, 1979.